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Der Ruf nach Reformen der humanitären Hilfe ist so laut wie seit Jahren nicht mehr, zuletzt verstärkt durch eine wachsende Finanzierungslücke und anhaltend mindestens 300 Millionen Menschen in Not weltweit. Es entsteht ein neuer Konsens, dass das aktuelle humanitäre System zahlreichen Herausforderungen nicht gewachsen ist und grundlegende Reformen von größter Dringlichkeit sind. Insbesondere Europa muss sich diesem Reformbedarf stellen als in der Summe größter Geber der Welt, der 9 von 12 der globalen Topgeber beheimatet.
Angesichts von allein 27 diversen EU-Mitgliedern und drei europäischen Topgebern außerhalb der EU wirft dies die zentrale Frage nach der Koordination europäischer humanitärer Politik auf. Ein in relevanten Fragen kohärentes Vorgehen europäischer staatlicher Akteure ist Grundvoraussetzung dafür, das aktuelle Reformmomentum zu nutzen. Wie steht es also um die Koordination europäischer humanitärer Politik? Welche Foren der Koordination müssen überdacht oder geschaffen werden? Welche humanitären Themen sind erfolgsversprechend im Lichte zahlreicher Spannungsfelder, u.a. der Notwendigkeit eines hinreichend gemeinsamen politischen Interesses versus widerstreitender nationaler Interessen und Prioritäten?

In seiner Analyse arbeitet Ralf Südhoff zunächst zehn Empfehlungen für verbesserte Koordinationsprozesse heraus, u.a.:

  • Reform des COHAFA zu einem policyorientierten Forum, das sich von der informativen zur inhaltlichen Koordinationsebene weiter entwickeln könnte
  • Fokus auf informelle Koordinationsforen wie die Stockholm Gruppe, die maßvoll erweitert und auf eine strategische Koordinationsebene angehoben werden kann
  • Aufbau eines systematischen Austauschs über interessengeleitete Finanzierungsentscheidungen zur Erzielung von Komplementaritäten sowie zur Finanzierung „Vergessener Krisen“
  • Verbesserte räumliche Koordination durch Weiterentwicklung des humanitären Hubs Brüssel und informelle lokale Netzwerke
  • Bessere Koordinierung der Zusammenarbeit europäischer Akteur*innen mit Forschungseinrichtungen und externer Beratung

Darüber hinaus benennt er fünf potentielle Themen, welche politisch sensible Bereiche vorerst ausklammern, gleichwohl durch eine strategischere europäische Koordination für substantielle humanitäre Reformen stehen könnten:

  1. Accountability of humanitarian agencies
  2. Locally-led action & participation
  3. Sanktionsregime und humanitäre Ausnahmen
  4. Effizienzgewinne
  5. Humanitäre Hilfe und Daseinsfürsorge in fragilen, autoritären Staaten

Take Aways:

Dieses Forschungspapier ist ein Resultat der Projektkomponente Vernetzung deutscher und europäischer Policy-Kapazitäten des Projekts “Strengthening Programme and Policy Relevant Capacities of Humanitarian Actors in Germany” (SPreAD), gefördert durch das Auswärtige Amt.

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